Zuschauen oder hinschauen, das ist hier die Frage.
Warum sind Dating Shows nur so beliebt? Manche Menschen scheinen sie sogar süchtig zu machen. Sie sind Vergnügen, Unterhaltung, Tratsch und Klatsch. Und wenn wir Umfragen glauben wollen, interessieren sich nicht nur die Frauen dafür. Wir alle wollen daten. Wir wollen wissen, wer kriegt wen? Unabhängig von Alter, Geschlecht oder sexueller Orientierung. Wir Menschen lieben Dating. Ob wir es zugeben oder nicht. Menschen wollen sich verbinden, wollen geliebt werden und sich geborgen fühlen. Doch wonach suchen wir genau? Ist es das Neue? Das Unbekannte? Das Erotische? Das Exotische? Das andere? Oder suchen wir uns in Wahrheit nur selbst? Suchen wir jemanden der lebt, was wir selbst nicht sind oder der uns und unsere Lebensweise, unsere Sicht vom Leben, bestätigt? Suchen wir die wahre Liebe, oder suchen wir jemanden der unser Konzept vom Leben teilt?
Ich frage mich, suchen die Menschen wirklich? „Wer suchtet der findet“, heißt es schon in der Bibel. Bedeutet das dann nicht, dass wir sie, die große Liebe, ihn, den ersehnten Partner oder sie, die heiße Partnerin finden würden, wenn wir wirklich, wirklich danach suchten? Oder ist die Suche interessanter als das Finden? Oder wollen wir am Ende gar lieber zuschauen anstatt wirklich hinzuschauen?
Sind wir überhaupt noch bereit, die Verbindlichkeit einzugehen und die Verantwortung zu übernehmen? Oder den Kompromiss zu machen, nur für ein bisschen Liebe? Nur für einen Partner an der Seite. Nur für etwas Romantik, die sich ohnehin nach kürzester Zeit in Luft auflöst. Ist es da nicht einfacher am Bildschirm zu sitzen und den Traum der anderen zu träumen? Zu beobachten, zu bewerten, zu kritisieren. Vordergründig die Menschen am Bildschirm, in Wahrheit dich selbst. Doch das ist uns meist nicht bewusst. Also richten wir weiter die Aufmerksamkeit auf die anderen und träumen, anstatt uns wirklich einzulassen.
Anstatt echte Nähe und Verbindung einzugehen und anstatt wirklich am Leben teilzunehmen. Wir tauchen ab in die Welt der anderen und vergeuden unser Leben. Das klingt hart. Vielleicht zu hart. Doch für mich ist das so. Ich komme gerade von einem langen Seminarwochenende zurück, an dem 50 Menschen sich wahrhaftig begegnet sind. Sie haben den Blick vom Bildschirm genommen und haben sich gezeigt. Mit ihren Ängsten, mit ihren Geschichten und Erfahrungen und sie haben sich befreit. Sie waren ehrlich und haben sich dem Hässlichen gestellt und dabei sich selbst entdeckt und wahre Nähe erweckt.
Sie haben Schönheit gesehen und den Nährboden für echte Intimität bereitet. Das braucht Mut. Denn die Nähe und Verbindung, die wir Menschen uns so sehr wünschen, entsteht nicht von allein. Sie braucht Offenheit und Ehrlichkeit. Sie braucht wahrhaftige Menschlichkeit. Und erst wenn ich mich als Mensch mit all meinem Mangel, all meinen Fehlern und Verurteilungen annehmen kann, dann kann ich Verbindung und Nähe wirklich erzeugen und aushalten. Dann kann ich mich aushalten. Denn am Ende erlebe ich mich über dich. In dir begegne ich mir. In mir begegnest du dir. Immer und immer wieder. Auch am Bildschirm. Doch das wollen wir meist nicht erkennen. Können wir oft so nicht benennen.
Haben wir Angst vor dem Leben, vor unserer eigenen Lebendigkeit? Weshalb sonst, wollen wir lieber vor dem Bildschirm sitzen, anstatt die echte Verbindung täglich zu erleben und unser Leben wirklich zu feiern?
„Es liegt nicht an ihm oder an ihr. Es liegt an dir.“
Als ich das vor Jahren zum ersten Mal gehört habe, war ich wütend. Wütend auf mich selbst, wütend auf die Menschen um mich herum, wütend auf denjenigen der mich darauf aufmerksam gemacht hat. Ich wollte es nicht wahrhaben, dass es meine inneren Schutzmauern waren, die ich über Jahre aufgebaut, gehegt und gepflegt habe. Und schlimmer noch. Ich habe mich nicht nur hinter diesen Mauern versteckt. Ich habe mir selbst ein inneres Gefängnis geschaffen, indem ich fest saß. Auch wenn ich äußerlich vielleicht gar nicht alleine war.
Was suchen wir nun wirklich? Weshalb sind die Dating Shows so beliebt? Sehnen wir Menschen uns nicht so sehr nach dem Zustand tiefster Verbundenheit? Insbesondere jetzt, in einer Zeit, in der wir noch viel mehr als sonst auf uns selbst zurückgeworfen sind. In der im Außen so viel Unsicherheit und Umbruch entsteht. Immer mehr Menschen wünschen sich nichts sehnlicher als Nähe, Geborgenheit und echte Verbundenheit. Doch wir verhindern sie täglich selbst. Was uns von intimen Begegnungen trennt, ist in uns. Es ist nicht im TV, es liegt nicht am fehlenden Partner, es ist das innere Gefängnis, die innere Barriere. Wenn wir das erkennen, dann wandeln sich schlagartig all unsere Begegnungen und Verbindungen - auf allen Ebenen. Körperlich, energetisch, seelisch und emotional.
Doch was wollen wir wirklich? Wollen wir weiter am Bildschirm sitzen? Und das Leben der anderen betrachten, während Stunde um Stunde unseres eigenen Lebens an uns vorbeizieht? Während wir mit den anderen bangen und hoffen, und zuschauen, wie sie sich zoffen. Wollen wir wirklich Zaungast bleiben und verstohlen zu den anderen schielen, anstatt unser eigenes Spiel des Lebens zu spielen?
Haben Sie Fragen oder Wünsche Rund um das Thema Sexualität?
Dann schreiben Sie mir. Ich gehe in der nächsten Ausgabe sehr gerne auf Ihre Themen ein.